Cruel Summer

Kolumne | Direktnachricht

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Cruel Summer

Kolumne | Direktnachricht

Lockere und luftige Kleidung. Viel trinken, am besten Wasser, nicht zu kalt temperiert. Sonnencreme und Kopfbedeckung nicht vergessen, wenn man nach draußen gehen muss. Sport nur in den kühleren Morgen- und Abendstunden.

Solche und ähnliche Tipps finden sich gerade überall angesichts kletternder Thermometer und drückender Hitze. Sie sind leider nötig, da die Gefahr durch hohe Temperaturen von zu vielen Menschen immer noch unterschätzt wird. Doch wirken die Ratschläge rund um kalte Umschläge und Ventilatoren nahezu niedlich-naiv, wenn drumherum die Welt brennt – oft sprichwörtlich, wie bei den katastrophalen Waldbränden in Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland oder Portugal.

Es geht eben nicht um eine Ausnahmesituation, sondern um unsere neue Normalität bei 40 Grad und mehr. Das beste (weil erträgliche) Wetter unseres Lebens liegt hinter uns. Vielleicht sollten Medien also eher von Extremhitze sprechen statt von „Rekordtemperaturen“, die so klingen, als bekämen wir auch noch eine Medaille dafür, unseren Planeten zu ruinieren. Und vielleicht sollten verharmlosende Bezeichnungen wie „sommerliche Temperaturen“ oder Bebilderungen mit fröhlich badenden Menschen in diesem Zusammenhang endgültig verschwinden.

Sommer, das ist für viele von uns eine Sehnsuchtssaison, in der wir Eis essen, planschen und endlich ein bisschen Urlaub machen dürfen. Doch ist es überfällig, diese Phase des Jahres nicht mehr nur cool erscheinen zu lassen, sondern die glühend heißen Gefahren globaler Erwärmung anzuerkennen. Gefahren, für die unsere Körper, unsere Häuser, unsere Infrastruktur nicht gerüstet sind. Es ist gerade ein Jahr her, da rollten die Wassermassen durchs Ahrtal. In diesem Jahr frisst sich die Dürre weiter durchs ganze Land. Schon jetzt verursacht die Klimakrise jährlich (!) Schäden im Wert von 6,6 Milliarden Euro – von den menschlichen Kosten durch Verdrängung, Trauma, Verletzungen und Tod ganz zu schweigen.

Trotzdem leben wir immer noch in einer Zeit, in der selbst die naheliegendsten Lösungsschritte wie Tempolimit oder Verbrenner-Aus zu Tode diskutiert oder ausgehöhlt werden und man sich fragt: Steht das F in FDP für die Freiheit, einen schnelleren Hitzetod zu sterben? Da wo andere ein Herz haben, scheint bei Christian Lindner jedenfalls ein Verbrennungsmotor zu rumpeln. Unvergessen auch, wie der selbsternannte „Klimakanzler“ Olaf Scholz, Klimaschutzaktivist_innen diffus mit “eine[r] Zeit, die lange zurückliegt” verglich, ohne ihre Sorgen anzuhören oder seine bedenkliche Anspielung zu erklären. Allein in den letzten Wochen klebten sich immer wieder junge Menschen in ihrer Klimaverzweiflung auf Autobahnen fest, um mit ihren Forderungen wenigstens ein bisschen von der Bundesregierung wahrgenommen zu werden.

Deshalb bleiben die heißesten Tipps gegen die Klimakrise: ihr mit sämtlicher Geschlossenheit und Eile begegnen. Einen sozial­verträglichen Ausstieg aus den fossilen Energien ermöglichen. Und: gesetzliche wie systemische Änderungen vornehmen, wo bislang auf individuelles Verhalten gesetzt wird. Das einzige Klima, das sich ändern muss, ist das politische.

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