Irgendwie

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Irgendwie

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Wild geht es an den Weltbörsen zu und zunehmend unübersichtlich. Das liegt unter anderem an einem ganz neuen Phänomen. Nicht mehr Unternehmensnachrichten bestimmen die Aktienkurse oder – analytisch weitgehend fundierte – Anlageempfehlungen der Finanzinstitute. Nein, an den Börsen regieren zunehmend die „Influencer“. Sie analysieren nichts, sondern begründen ihre Empfehlungen meist – ja, wie eigentlich? – aus dem Bauch heraus. Prominentestes Influencer-Beispiel: der Turbo-Unternehmer Elon Musk, der den Kurs der Kryptowährung Bitcoin mit Twitter-Nachrichten nach oben trieb. Unlängst ließ er dann noch alle wissen, dass sein Automobilkonzern Tesla 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin angelegt hat – und allein durch diesen Tweet wurde er noch einmal reicher, genauso wie die, die ihm gefolgt sind. Geht es dort noch mit rechten Dingen zu?

Allemal heikel ist die Frage danach, wie es sich verhält, wenn die Meinungsmacher selbst von ihrer Meinungsmacht profitieren, sich vor einem Tweet in bestimmten Papieren positionieren und dann mit ihrem Gezwitscher den Kurs genau jener Aktien beflügeln. Reguliert sind derlei Handhabungen nicht. Wie auch? Das Phänomen ist schließlich neu.

Früher gab es mal eine „Anlagetechnik“, die sich Frontrunning nannte. Börsenmakler zogen mit Großaufträgen ihrer Großkunden an den Markt. Da sie aufgrund der Aufträge die künftige Kursentwicklung einer Aktie abschätzen konnten, investierten sie kurz vor Platzierung der Kunden-Order erstmal auf eigene Rechnung oder auf die ihres Arbeitgebers und „erwirtschafteten“ beträchtliche Gewinne. Seit 2004 ist diese Variante des Insiderhandels verboten und wird bestraft. Nur im Hochfrequenzhandel machte diese Börsenpraktik vor ein paar Jahren noch einmal Furore.

Vor gut zehn Jahren trieben es ein paar Finanzjournalisten reichlich unverfroren, schrieben Kurse „nach oben“ und kassierten im Hintergrund kräftig mit. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte gut 30 Börsenbriefschreiber der Marktmanipulation.

Auch Influencer Musk hat mit seinen Tweets die Kurse einzelner Titel befeuert, neben Bitcoin die Kryptowährung Dogecoin sowie den Messanger-Dienst Signal. „Ich liebe Etsy irgendwie“, war ein weiterer Tweet. Und wieder schoss der Kurs der Aktie in die Höhe. Vielleicht hat seine Frau oder ein Freund vorher rein zufällig in Etsy-Aktien investiert. Wer weiß das schon, wie es die Börsen-Influencer mit eigenen Investments halten.

Derzeit ist vor allem das Produkt-Marketing von Influencern im Visier der Gesetzgeber und soll künftig aus Gründen des Verbraucherschutzes reguliert werden. Bald wird sich die Legislative wohl auch für den neuen Typus des Börsengurus etwas ausdenken müssen. Je früher, desto besser.

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