Prägend

Editorial des Verlegers

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Prägend

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist einfach, Begriffe wie Geschichtspolitik als aufgeladene Symbolik, Konzepte wie kulturelle Deutungshoheit als feuilletonistisches Geplänkel und historische Narrative als verkopften geisteswissenschaftlichen Plunder abzutun. Wenn dergleichen nur nicht so gefährlich wäre.

Tatsächlich hat sich die Neue Rechte, haben sich halbintellektuelle AfD-Vordenker und Vulgär-Theoretiker nationalistischen Gedankenunguts bei den Achtundsechzigern einiges abgeschaut und sich auf den langen Marsch durch eben jene begrifflichen und geistigen Institutionen begeben, die unser gesellschaftliches Sprechen und Denken prägen – und damit heute noch kaum denkbaren politischen Radikalisierungen den Weg bereiten.

Dankenswerterweise gibt es unter den jungen Historikerinnen und Historikern so helle wie aufmerksame Köpfe, die genau diese oft unterschwellig ablaufenden Verschiebungen erkennen, sachlich und neutral analysieren – sich schließlich aber auch nicht vor abgewogenen und fundierten Urteilen scheuen.

Claudia Gatzka von der Universität Freiburg führt in diesem Hauptstadtbrief am Samstag in beeindruckender Manier vor, „wie die Neue Rechte Geschichte instrumentalisiert, um Deutungshoheit über unsere Zukunft zu erlangen“, wie es im Untertitel ihres neuen, gemeinsam mit Andreas Audretsch herausgegebenen Buches „Schleichend an die Macht“ heißt (J.W.H. Dietz).

„Deshalb haben Historikerinnen und Historiker auch die Aufgabe, nicht nur politisch opportune Erzählungen zur Legitimation der Gegenwart zu liefern“, schreibt Gatzka, „sondern auch verzerrende geschichtspolitische Handlungen ins rechte Licht zu rücken.“ In ihrem Beitrag führt sie diese gesamtgesellschaftlich kaum zu überschätzende Aufgabe mustergültig vor.

Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs erinnern wir aus gegebenem Anlass an das hundertjährige Bestehen der Organisation Save the Children, einst in England gegründet, um den hungernden Kindern der Kriegsgegner zu helfen. Den wahrlich großen Gedanken, der hinter der Idee steckt, hat der Journalist Peter Zehner so treffend und elegant auf den Punkt gebracht, dass ich ihn an dieser Stelle noch einmal zitieren will: „In diesen hässlichen Zeiten tut es wohl, daran zu erinnern, dass die Welt auch ein besserer Ort sein könnte, dass der Mensch nicht des Menschen Wolf sein muss, sondern ein barmherziger Samariter sein kann, dass Hass nur Hass erzeugt, Gewalt nur Gewalt, dass Menschen nicht nur zu Egoismus fähig sind, sondern zu Altruismus und Vergebung wirksamer sein kann als Rache, kurz: dass Menschen über dogmatische und kleingeistige Gruppeninteressen hinwegsehen und allesamt Brüder und Schwestern sein können. Menschen können sogar lernen, ihre Feinde zu lieben.“

Bleiben wir hoffnungsvoll!
Die nächste Ausgabe erreicht Sie morgen.
Mit herzlichen Grüßen

Ihr Detlef Prinz

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