Wahlen nach Zahlen

Warum sich die CDU in der K-Frage nicht von der CSU die Antwort vorgeben lassen wird

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PICTURE ALLIANCE/DPA | MICHAEL KAPPELER
Hat gut lachen, Armin Laschet
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PICTURE ALLIANCE/DPA | MICHAEL KAPPELER
Hat gut lachen, Armin Laschet

Wahlen nach Zahlen

Warum sich die CDU in der K-Frage nicht von der CSU die Antwort vorgeben lassen wird

Der Parteivorsitzende wird auch Kanzlerkandidat der Union sein.

Das steht seit der verunglückten Selbstinszenierung von Friedrich Merz, aber auch von Laschets „Teampartner“ Jens Spahn im Umfeld des CDU-Parteitags fest. Dagegen wird noch mehrere Wochen lang offenbleiben, ob der neu gewählte CDU-Vorsitzende Armin Laschet die Unionsparteien als Kanzlerkandidat tatsächlich in den Bundestagswahlkampf führen darf oder ob ihm der Vorsitzende der CSU, Markus Söder, die Kandidatur streitig machen kann und wird. Weder dessen „Mein-Platz-ist-in-Bayern-Mantra“ noch Söders Beschreibung der protokollarischen Reihenfolge (der CDU komme angesichts ihrer Größe das „geborene Vorschlagsrecht“ zu, die CSU habe aber ein Vetorecht) tragen zur Klärung dieser Frage bei. Ein paar andere Sachverhalte dagegen schon.

Zunächst lässt sich das Fehlen eines Präzedenzfalls konstatieren: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik fand ein unionsinterner Kanzlerkandidatenstreit zwischen den Vorsitzenden beider Schwesterparteien statt. 1980 hatte der damalige CDU-Partei- und gleichzeitige Bundestagsfraktionsvorsitzende Helmut Kohl angesichts der Aussichtslosigkeit, eine unionsgeführte Bundesregierung bilden zu können, frühzeitig auf die Kandidatur des niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) gesetzt. Dieser Plan scheiterte an Franz Josef Strauß, der unter Einsatz CSU-typischer Erpressungsrhetorik – also der Androhung, die CSU könne ja auch außerhalb Bayerns antreten – von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde. 2002 traf Angela Merkel angesichts des Widerstands, der ihr aus den Reihen der eigenen Partei entgegenschlug, eigenständig die Entscheidung, die Kanzlerkandidatur Edmund Stoiber (CSU) zu überlassen.

Die zutreffende Feststellung, die CDU sei mit der Personalunion von Parteivorsitz und Kanzlerschaft gemäß dem Vorbild von Konrad Adenauer (1949-1963), Kurt-Georg Kiesinger (1966-1969), Helmut Kohl (1982-1998) und Angela Merkel (2005-2018) immer gut gefahren, trägt auch nicht zur Klärung der K-Frage bei. Diese Personalunion könnte der CSU-Vorsitzende Söder ja ebenfalls für sich reklamieren – auch wenn die Größenordnungen, in denen sich die Schwesterparteien bewegen, zwangsläufig deutlich voneinander abweichen: Den etwas mehr als 400 000 Parteimitgliedern der CDU stehen derzeit immerhin fast 140 000 CSU-Mitglieder gegenüber. In 15 Landtagen stellt die CDU aktuell 488 Parlamentarier, im Bayerischen Landtag umfasst die CSU-Fraktion 85 Abgeordnete. In der Unionsfraktion im Bundestag lautet das Zahlenverhältnis der Abgeordneten 200 zu 46.

An diesem Zahlenverhältnis zwischen CDU- und CSU-Abgeordneten würde sich auch durch einen von der CSU gestellten Bundeskanzler nur wenig ändern. Breiter parlamentarischer Rückhalt sieht anders aus. Das gilt besonders dann, wenn es – wie in der Vergangenheit gelegentlich geschehen – zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Schwesterparteien kommen sollte. Noch wahrscheinlicher sind jedoch Misshelligkeiten über die zukünftige Besetzung der Spitzenposition: So würde im Falle eines CSU-Bundeskanzlers bereits im Laufe der anstehenden 20. Wahlperiode unter den CDU-Abgeordneten ein ungeduldiges Grummeln einsetzen, wie lange man der kleinen Schwesterpartei eigentlich noch den Vorrang einräumen und darauf verzichten wolle, selbst den Kanzler zu stellen. Womöglich wäre also ein Kanzler(kandidat) der CSU für die CDU nur dann „erträglich“, wenn er mit Blick auf sein Lebensalter eine Übergangslösung darstellen würde. Ein Ausdruck und ein Szenario, die weder dem CSU-Vorsitzenden noch seinen Ambitionen gerecht werden.

Aus Sicht der CSU, Teilen der CDU, aber auch der bundesdeutschen Öffentlichkeit spielen die ungleichen Zahlenverhältnisse, die der Position der CSU als Regionalpartei mit Wirkungskraft auf Bund und EU geschuldet sind, angesichts einer anderen Zahl jedoch kaum eine Rolle: Sie interessieren allein die in Meinungsumfragen zum Ausdruck kommenden Zustimmungsquoten für Söder als möglichem Kanzler. Nicht nur der CSU-Vorsitzende ist sich dieses Pfunds in der Debatte, welcher Kandidat wohl die besten Chancen bei der konkreten Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler haben dürfte, bewusst.

Gleichzeitig ändern aber selbst gute Umfrageergebnisse des bayerischen Ministerpräsidenten an zwei Sachverhalten nichts: Zum einen wird die CDU bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur an ihrem frisch gewählten Vorsitzenden Laschet festhalten und der CSU beziehungsweise Söder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht freiwillig den Vortritt geben.

Und für diese Haltung hat die große Schwesterpartei eine gute Begründung: Ihr wichtigstes Ziel, nämlich weiterhin die stärkste Fraktion und den Bundeskanzler zu stellen, wird die Union mit einem CDU-Kanzlerkandidaten auf jeden Fall erreichen. Ob Söder tatsächlich für einen größeren Erfolg und damit für das Erreichen von (noch) mehr Mandaten stehen würde, ist nicht nur wegen der Unwägbarkeiten einer wahlsystembedingten weiteren Vergrößerung des Bundestages kaum zu kalkulieren. Zum anderen bliebe es im Falle eines bayerischen Kanzlerkandidaten beim Grundproblem der CSU. Sie würde sich in dieser bundespolitisch zweifelsohne reizvollen Konstellation ihres bisherigen Alleinstellungsmerkmals im bayerischen Parteienwettbewerb berauben: den Freistaat weiterhin grundsätzlich über den Bund zu stellen.

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