Zwischen Autoritarismus und Demokratie

Editorial des Verlegers

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Zwischen Autoritarismus und Demokratie

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

Die Botschaft aus dem Weißen Haus war deutlich und ich muss sagen, es hat mir wirklich wohlgetan, sie von ihm, dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, zu hören.

Dem Ausnahmezustand aufgrund der Pandemie geschuldet fand die Special Edition der Münchner Sicherheitskonferenz von Bayern aus via Stream statt, aber das tat dem guten Gefühl keinen Abbruch, die „Rückkehr“ der USA aus Bidens Mund zu vernehmen – insbesondere nach den vier dunklen Jahren der Unsicherheit, der Misstöne und der obstruktiven Tendenzen unter Trump.

Es ist dem Vorsitzenden der MSC Wolfgang Ischinger nicht hoch genug anzurechnen, dass es ihm vor dem Hintergrund seiner jahrzehntelangen diplomatischen Expertise und seinem sehr guten persönlichen Verhältnis zum heutigen Präsidenten gelungen ist, Joe Biden dazu zu bringen, via München die neu zu belebende Zusammenarbeit der USA mit Europa zu verkünden – nach der Zeit der so gefährlichen wie schmerzhaften Unterbrechung.

Und es war für mich, als überzeugten Atlantiker, im Zuge dessen eine Wohltat, zu vernehmen, dass die USA sich wieder deutlich und klar zur Nato und der aus Artikel 5 abgeleiteten Beistandspflicht bekennen – sollte ein Mitgliedsstaat angegriffen werden, so ist dies als Angriff auf alle Mitglieder zu verstehen.

Auch Bidens Plädoyer, die Demokratie im Wettstreit mit autokratischen Herrschaftsformen zu stärken, könnte in diesen schwierigen Zeiten nicht wichtig genug sein.

Der Präsident hat recht, die Demokratie ist der beste Weg, Freiheit und Frieden für uns alle, heute und in der Zukunft zu sichern und zu stärken. Wir müssen zeigen, dass die Demokratie die beste Staatsform für die Menschen ist – oder in Joe Bidens Worten über München in die Welt: „Wir müssen beweisen, dass unser Modell kein Relikt der Vergangenheit ist.“

Wenn die demokratischen Staaten zusammenarbeiten, können sie jede Herausforderung meistern und jedem Rivalen gegenüber erfolgreich sein.

Aber diesen Kampf kann eben auch Joe Biden nicht alleine führen. Das ist die so naheliegende, aber mitunter etwas vergessene Pointe: Er braucht Partner, vor allem in Europa.

Der 46. Präsident der USA hat gestern Nachmittag in München die Hand in Richtung Berlin, Brüssel, London und Paris zu einer neuen transatlantischen Zusammenarbeit ausgestreckt.

Nun liegt es an uns Europäern, Bidens Hand beherzt und entschlossen zu ergreifen. Wir sollten uns dazu verpflichtet fühlen. Konkret: Die Zeit der leeren Versprechungen, vor allem im Verteidigungsbereich, gegenüber unseren amerikanischen Freunden muss vorbei sein. Europa muss bereit sein, unsere gemeinsamen Werte der Freiheit und der Demokratie zu verteidigen, um unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern.

Und nicht zu vergessen, es wäre auch unser Beitrag, dem Team Biden-Harris über die kommenden vier Jahre hinaus, eine positive Gestaltungsphase des transatlantischen Bündnisses zu sichern.

Gestern erschien die Sonderausgabe des Hauptstadtbriefs und der Security Times anlässlich der Special Edition der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Theo Sommer ist Herausgeber der bei Times Media/Prinz Medien in jedem Jahr zur MSC erscheinenden Security Times, die im Bayerischen Hof zum geistigen und buchstäblichen Inventar der Konferenz gehört – jeder Teilnehmer, alle Politikerinnen, Diplomaten und Sicherheitsexpertinnen erhalten ein Exemplar der Zeitung.

In diesem Jahr ist, wie wir alle wissen, beinahe alles anders. Die Special Edition der MSC fand gestern per Livestream statt – und auch wir haben deshalb „nur“ eine Online-Sonderausgabe zusammengestellt, die dafür aber auch auf Deutsch auf www.derhauptstadtbrief.de und in Englisch auf www.the-security-times.com für alle zu lesen ist.

In diesem Hauptstadtbrief präsentieren wir noch einmal Theo Sommers eindrucksvollen Leitartikel jener Sonderausgabe, in dem er just die zentralen Fragen behandelt, die den mitlaufenden Hintergrund zu Joe Bidens gestriger Rede und so vieler der gegenwärtigen Debatten internationaler Politik bilden: Wie viel Idealismus, wie viel Realismus kann oder muss „der Westen“ im Umgang mit autokratischen Regimen unterschiedlicher Gewichtsklassen aufbieten? „Im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Realität“, schreibt Sommer, „dürfen die Demokratien ihre Prinzipien nicht aus den Augen verlieren, aber sie müssen sich von den Umständen leiten lassen.“

Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefs bilanziert Katharina Hamberger diesen pandemiebedingt so ganz anderen Politischen Aschermittwoch. Die Amerikaner haben einen schönen Begriff dafür, wie solche Veranstaltungen bewertet werden können: production value – Ausstattung, Ambiente, Unterhaltungswert. Keine genuin politische Bewertung, aber was die – im besten Sinne – Show betrifft, zeigten sich, Hamberger zufolge, die CSU und Markus Söder am ehesten auf der Höhe der Netflix-geprägten Zeit, wenn man so will: Laptop und Lederhose 2021.

Aber zugleich fragt die Berliner Korrespondentin des Deutschlandfunks ganz konkret, welche Lehre, welche Erkenntnisse aus dem Aschermittwochs-Probelauf zu ziehen sind, denn eines dürfte schon jetzt feststehen: Dies wird kein Bundestagswahlkampf im herkömmlichen Stil werden. „Auch der klassische Wahlkampfstand mit Sonnenschirm, an dem die Vertreter und Vertreterinnen der Parteien Flyer verteilen und ins Gespräch mit den Bürgern und Bürgerinnen kommen“, schreibt Hamberger, „wird in diesem Sommer wahrscheinlich noch nicht möglich sein und der Haustürwahlkampf nur mit Maske und Abstand. Dort liegt eine große Herausforderung für die Parteien. Denn aus der Distanz werden sich wohl vor allem unentschlossene Wähler und Wählerinnen kaum überzeugen lassen.“

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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