Gute-Rouladen-Gesetze

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Gute-Rouladen-Gesetze

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Wummern findet man und Wumme (feminin), nur Wumms steht definitiv nicht im Duden. Nun ist aber genau dieses Wumms-Wort in aller Munde, seit es – dank der Wortfindungskünste des Bundeskanzlers – zum Inbegriff geradezu ausufernder sozialdemokratischer Entlastungspolitik geworden ist.

Politikführung mit kurzen, kräftigen Ausdrücken, die Emotionen wecken und darüber etwas bewirken sollen, hat es immer gegeben. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hoffte, dass ein Ruck durchs Land gehen werde, und hat dem in seiner Ruck-Rede Ausdruck verliehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder ging als Basta-Kanzler in die Geschichte ein, weil er mit dem italienischen Zweisilber im Jahr 2000 eine Debatte über die Einführung der Riester-Rente beenden wollte.

Scholz aber übertrifft sie alle. Schon als Finanzminister versuchte mit dem Wort Wumms in Verbindung mit üppigen Entlastungsmaßnahmen in der Pandemie bei der Bevölkerung zu punkten. Zuvor hatte er die Bazooka ausgepackt, um der Wirtschaft vor den Folgen des ersten Corona-Jahres mit Krediten in unbegrenzter Höhe zu helfen. Es werde nicht gekleckert, sondern geklotzt, versprach er kraftmeierisch. Inzwischen hat er den Doppel-Wumms verkündet und meint damit einen 200 Milliarden Euro teuren Schutzschild für Bevölkerung und Wirtschaft vor den explodierenden Gaspreisen. Im ersten Durchgang sollte Wumms eigentlich nur den durch staatliche Ausgabenfreude befeuerten Energielevel einer wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie beschreiben, hatte aber auch schon ein Preisschild: 170 Milliarden Euro.

Fangen wir aber noch einmal von vorne an: Wumms ist zunächst einmal ein Onomatopoetikum, ein lautmalerisches Wort der Comic-Diktion, das verwendet wird, wenn etwas explodiert oder eine Person zu Boden geht. Scholz also scheint an Emotionen gelegen, weniger dagegen an Genauigkeit. Das zeigt sich jetzt wieder: Für die Verteilung der mit dem Doppel-Wumms in Aussicht gestellten Milliarden hat er noch kein präzises Konzept. Ein Vorgehen übrigens, das jedes verantwortliche Politikhandeln auf den Kopf stellt. Inzwischen wissen wir immerhin, dass zunächst einmal der Staat alle Gasabschlagszahlungen des Monats Dezember übernimmt, bis dann im Frühjahr ein Mechanismus erarbeitet ist, nach dem das Geld verteilt werden soll, ob es nun im Einzelfall gebraucht wird oder nicht. Denn so unspezifisch wie das oder der Wumms ist die politische Maßnahme: Begünstigt wird nicht etwa nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen, sondern so wie in früheren Wumms-Phasen jeder und jede, auch jene, die es nicht nötig haben. Emotion schlägt Präzision.

Zurück zum Begriff: Im europäischen Ausland wurde das Wort – glücklicherweise – bisher nicht übernommen. Man hatte bei der Hartnäckigkeit, mit der der Kanzler sich dieses Onomatopoetikums bedient, fast befürchten müssen, dass sich analog zur German Angst alsbald schon ein German Wumms seinen Weg in den angelsächsischen Sprachraum bahnt. Dass dem bisher nicht so ist, mag damit zusammenhängen, dass Angst ein fest definierter Begriff, Wumms dagegen erstens einer so ernsten Situation wie der energiepolitischen Lage vor allem Deutschlands nicht angemessen ist und zweitens in das Repertoire eines an der Sache und nicht an Effekten orientierten Bundeskanzlers garantiert nicht gehört.

Während die Politik mit ihrer Gaskommission noch am Konkreten bastelt, machen sich die ersten Händler das politische Neudeutsch bereits zunutze. Bei Möbel Höffner geht es – ähnlich pauschal wie in der Politik – mit Wumms in die Herbstsaison: „30 Prozent auf alles!“

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