Die Coronapandemie bestimmt nach wie vor die öffentliche Debatte – doch sie verdeckt nicht, dass viele andere Krisen unvermindert fortbestehen.
Für viele Geflüchtete und Migrantinnen sind diese Krisen alltäglich. Ihre Schicksale zeigen deutlich, wie politische Versäumnisse, globale Ungleichheit und europäische Interessenpolitik zusammenspielen. Orte wie das griechische Lesbos oder die Sahelzone machen sichtbar, dass Europas Migrationspolitik häufig mehr Leid produziert als Lösungen bietet.
Abkommen mit autoritären Staaten
Die Europäische Union schließt seit Jahren Abkommen mit Herkunfts- und Transitländern, um Migration Richtung Europa einzudämmen. Das bekannteste Beispiel ist der EU-Türkei-Deal: Milliarden fließen in die Türkei, damit Flüchtlinge nicht weiterreisen. Gleichzeitig werden viele von ihnen auf griechischen Inseln inhaftiert – unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Solche Tauschgeschäfte auf dem Rücken von Schutzsuchenden sind keine Ausnahme, sondern Teil einer systematischen Strategie. Prozesse wie der „Rabat-Prozess“ oder der „Khartum-Prozess“ zielen auf „Migrationsmanagement“, nicht auf Schutz oder Perspektiven.
Das neue Asylpaket – ein alter Kurs
Die EU-Kommission nennt ihr neues Asyl- und Migrationspaket einen „Paradigmenwechsel“. Doch in Wahrheit bleibt vieles beim Alten. Der Fokus liegt weiterhin auf:
- Rückführungsabkommen,
- der Bekämpfung „irregulärer Migration“,
- und der Abschottung durch Drittstaaten.
Der oft versprochene Ausbau legaler Migrationswege bleibt hingegen vage. Das zeigt sich exemplarisch am Beispiel Malis, wo die EU bereits 2008 ein Migrationszentrum eröffnete. Dieses sollte eigentlich neue Perspektiven schaffen – wurde aber 2014 wieder geschlossen, ohne nennenswerte Wirkung für die Menschen vor Ort.
Sahelzone: Einsatz ohne Wirkung?
Auch mit Militärinterventionen will Europa Stabilität schaffen. In Mali ist das Gegenteil eingetreten: Mehr bewaffnete Gruppen, mehr Unsicherheit, mehr Menschen auf der Flucht. Dass europäische Truppen auch den eigenen Grenzschutz im Blick haben, liegt nahe. Die Bevölkerung sieht sich zunehmend allein gelassen – und zweifelt am Sinn des Engagements.
Der jüngste Putsch in Mali zeigt: Korruption, wirtschaftliche Not und ein schwaches Bildungssystem sind tiefere Ursachen der Krise. Wer nur auf Sicherheit und Migrationsverhinderung setzt, versäumt es, die wahren Probleme zu lösen.
Sudan: Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverletzern
Auch im Sudan hatte die EU jahrelang mit dem al-Bashir-Regime kooperiert – trotz internationalem Haftbefehl wegen Verbrechen in Darfur. Programme wie „Better Migration Management“ wurden dort unter Beteiligung der GIZ durchgeführt. Aktivisten kritisieren, dass die EU durch solche Kooperationen Gewaltstrukturen stabilisiert habe. Die Janjaweed-Milizen, später als RSF umbenannt, gelten als verantwortlich für brutale Einsätze gegen Migranten und Demokratiebewegungen.
Was sich ändern muss
Wenn die EU und Deutschland glaubwürdig bleiben wollen, müssen sie ihre Migrationspolitik grundlegend neu ausrichten. Das bedeutet:
- Unterstützung demokratischer Bewegungen statt autoritärer Regime,
- echte legale Zugangswege für Schutzsuchende,
- faire Asylverfahren ohne Abschiebungen in Krisenländer,
- und die Einhaltung von Menschenrechten als Maßstab jeder Kooperation.
Die EU darf sich nicht länger von kurzfristigem Eigeninteresse und Abschottungswünschen treiben lassen. Migration ist Realität – und humanes Handeln ist keine Option, sondern Verpflichtung.