Trotz allem pragmatisch

Die polnisch-deutschen Beziehungen nach den Präsidentschaftswahlen

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PICTURE ALLIANCE/REUTERS
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Trotz allem pragmatisch

Die polnisch-deutschen Beziehungen nach den Präsidentschaftswahlen

Der polnische Präsident Andrzej Duda wurde für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. So wird sich in den deutsch-polnischen Beziehungen eher wenig ändern. Der Wahlkampf in Polen sowie die Berichterstattung darüber in Deutschland, aber auch die Coronakrise der vergangenen Wochen haben einige wichtigen Aspekte dieser Beziehungen wieder deutlich gemacht.

Plötzlich war sie im Wahlkampf wieder da, die „antideutsche Karte“, die auch bei früheren Wahlkämpfen eine kleine Gruppe von PiS-Wählern mobilisieren konnte. Der amtierende Präsident Duda meinte, Deutschland wolle sich in die polnische Wahlkampagne einmischen, da deutsche Medien oder polnische Medien im Besitz deutscher Konzerne eindeutig den oppositionellen Kandidaten Rafał Trzaskowski unterstützen würden. Der Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Warschau wurde in dieser Angelegenheit sogar ins polnische Außenministerium einbestellt. Ob dies aber nach den Wahlen weiter eine Rolle spielen wird, ist fraglich. Die Rhetorik mag ab und zu unangenehm konfrontativ klingen, die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass die deutsch-polnischen Beziehungen trotz allem pragmatisch bleiben.

Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass auf deutscher Seite viele Beobachter die Lage in Polen und den Wahlkampf sehr kritisch kommentiert haben, ohne die Situation dort wirklich verstehen zu wollen. Die gute, tiefergehende Berichterstattung der auf Polen spezialisierten Journalisten hat zwar geholfen, aber natürlich nicht alle erreicht.

In den deutsch-polnischen Beziehungen sind diese beiden Tendenzen nicht neu. Viele Deutsche machen sich nicht die Mühe, Polen richtig zu verstehen, und sind irritiert, wenn in Polen etwas nicht zu ihren Denkmustern passt, ohne es sich selbst erklären zu wollen. In Polen ist die Aufregung groß, wenn es auch nur eine Vermutung gibt, dass die Deutschen Polen ignorieren, kritisieren oder sich einmischen wollen – was historisch nachvollziehbar ist. Dazu prallen die unterschiedlichen Kommunikations- und Wahlkampf-Stile aufeinander – der emotionale polnische und der faktenorientierte deutsche.

Der Grund ist immer der gleiche – wir kennen uns zu wenig. Die gegenseitigen Unkenntnisse blockieren die Chancen auf ein gegenseitiges Verständnis und erschweren die Lösung von Problemen auf sehr vielen Ebenen – ob es nun um die wichtigsten politischen Entscheidungen geht oder um die Vorbereitung von Jugendaustausch.

Dennoch, die Bilanz ist eher positiv, vor allem wenn man daran denkt, wo wir angefangen haben.

Das Deutsch-Polnische Barometer, eine gegenseitige Wahrnehmungsstudie, zeigt, dass sich die Situation verbessert hat. Das ist das Ergebnis von tausenden Begegnungen, die innerhalb der vergangenen 30 Jahre stattgefunden haben. Diejenigen, die schon einmal im Nachbarland waren, haben ein besseres Bild und viel mehr Verständnis für die Situation vor Ort haben als die, die es noch nie besucht haben. Das breite Netzwerk von Kooperationen im Bereich Politik, Wirtschaft, Kultur, Kommunen und Zivilgesellschaft stimmt deshalb zuversichtlich, dass selbst potenzielle Schwierigkeiten auf der höchsten Ebene die Beziehungen in ihrer Tiefe nicht gefährden werden.

Trotzdem sollten sich beide Seiten weiter Mühe geben, vor allem weil aufgrund von Corona die Zahl der Begegnungen gesunken ist und die Emotionalität des polnischen Wahlkampfs von den Deutschen schwer zu verstehen sein mag. Gerade jetzt steht aber Deutschland vor einer besonderen Chance. Es hat nun ein halbes Jahr lang die EU-Ratspräsidentschaft inne und sollte moderieren, verschiedene Meinungen berücksichtigen und Kompromisse schließen.

Für Deutschland bleibt Polen als Partner in der EU sehr wichtig und mit großen Themen auf der EU-Agenda – etwa die Aushandlung des mehrjährigen Finanzrahmens, des Green New Deal und der Coronahilfen –, auch weil Berlin seine Unterstützung braucht, um Erfolge zu erzielen. Diese Punkte sind natürlich auch für Polen zentral, das einerseits wie kein anderes Land von den Geldern aus Brüssel profitiert, andererseits aber auch nicht in Europa abgehängt werden möchte. Die Idee eines Europas der zwei Geschwindigkeiten ist sowohl für die derzeitige polnische Regierung als auch für die Opposition nicht akzeptabel.

Gleichzeitig fehlt es nicht an Konfliktpotenzial zwischen Warschau und Brüssel, was die deutsche Aufgabe während der EU-Ratspräsidentschaft nicht erleichtern wird. Als Stichworte sollten das Vertragsverletzungsverfahren, das Brüssel infolge der Justizreform gegen Polen eingeleitet hat, und die harte polnische Haltung in der Migrationspolitik genügen. Vorurteilsfreie Gespräche, Expertentreffen und Rücksicht auf die besonderen Befindlichkeiten in Polen könnten hierbei ebenso helfen wie eine kundige Beobachtung der politischen Debatten in Polen: Es hat sich schon immer gelohnt, seinen Nachbarn zuzuhören.

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