Wellenbrecher

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

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Wellenbrecher

Kolumne | Auf den Zweiten Blick

Die Untergangspropheten – vorzugsweise Soziologen – haben seit einigen Wochen ein neues Thema. Und sie haben es – noch schneller als sonst – bereits mit Namen versehen: Generation Corona. Kaum mehr ein halbes Jahr Pandemie-Krise haben sie benötigt, um nicht nur eine ganze Generation zu identifizieren, sondern ihr auch schon die Zukunftschancen abzusprechen. Corona erschwere den jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 20, vielleicht auch 23 Jahren die Übergänge von der Schule in die Ausbildung und von Ausbildung und Studium in den Beruf. Nicht nur, dass diese jungen Menschen deshalb zutiefst verunsichert seien. (Sind sie das wirklich?) Sie häuften mit der Virus-Krise zudem Warte- und Leerzeiten an, die ihnen später im Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt gegenüber den wieder unbeschwert Nachrückenden kaum mehr aufzuholende Nachteile verschafften. Verlorene Zeit – verlorene Generation.

Stimmt das eigentlich? Kann man schon jetzt davon sprechen, dass eine ganze Generation verloren zu gehen droht?

Sicher nicht. Denn es verhält sich keinesfalls so, als würde diese fast verloren gegebene Generation durch Corona nichts lernen. Im Gegenteil: Sie lernt viel Wichtigeres als das, was auf den Lehrplänen der Schulen, Berufsschulen oder gar Universitäten steht. Sie lernt, dass nichts wirklich sicher ist im Leben und dass es sich lohnt, in Krisen kreativ zu werden. Ja, dass diese sogar die Chance bedeuten können, Wünsche und Entscheidungen noch einmal zu überdenken. Die jungen Menschen lernen eine höhere Frustrationstoleranz und mehr Flexibilität. Soll ihnen das tatsächlich zum Nachteil gereichen?

In den Recruiting-Abteilungen großer Unternehmen setzt sich zunehmend die Tendenz durch, Lebensläufe junger Menschen nicht nur nach in möglichst kurzer Zeit Erreichtem zu beurteilen, sondern in ihnen nach den Brüchen zu suchen, nach Fehlentscheidungen und Richtungswechseln. Warum? Weil nur in solchen Situationen nachweislich all das gelernt werden kann, was man später im Berufsleben tatsächlich braucht. Wer wie ein Schnellboot durch die Wellen gleitet und nicht ein einziges Mal vom Kurs abkommt, wird daran nicht reifen. Die Vorstellung, dass nur ein friktionsloser Lebenslauf ein guter ist, gilt längst als überholt.

Natürlich gibt es von Armutsrisiko und Bildungsferne betroffene gesellschaftliche Schichten, in denen die Krise jungen Menschen wirklich zusetzt. Dort wird sich die Politik etwas überlegen müssen. Aber dort sammelt sich nicht die Mehrzahl des Nachwuchses, der jetzt zum Umdenken gezwungen wird. Das Gros der jungen Erwachsenen wird sich von einer Pandemie nicht geschlagen geben und nicht nur für das Berufsleben Entscheidendes gelernt haben: Sicherheit ist längst nicht selbstverständlich. Genau das wird ihr Vorteil sein.

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