Schändliche Manöver

Editorial des Verlegers

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Schändliche Manöver

Editorial des Verlegers

Liebe Leserinnen und Leser,

in den frühen Morgenstunden gestern erfuhr die Welt von Donald Trumps Infektion mit dem Coronavirus. Zu Beginn der Woche waren auch noch die abgehärtetsten Beobachterinnen und Beobachter der amerikanischen Politik entsetzt von Trumps peinlichem und unwürdigem Gebaren beim ersten TV-Duell mit Joe Biden. Wenige Tage zuvor hatte die New York Times in einer investigativ-journalistischen Meisterleistung dokumentiert, welche legalen und wahrscheinlich illegalen Verrenkungen Trump unternahm, seine Steuerzahlung auf 750 US-Dollar zu drücken. In der Woche zuvor gab Trump bekannt, nach dem Tode der legendären Ruth Bader Ginsburg eine neue Verfassungsrichterin zu nominieren, vom Senat bestätigen zu lassen und noch vor den Präsidentenwahlen im November zur Verfassungsrichterin am Supreme Court auf Lebenszeit zu ernennen. Ein aus vielen Gründen schändliches Manöver – zumal die Trump-gehorsamen Republikaner im Senat vor vier Jahren, als Barack Obama einen Richter nominieren wollte, beinahe ein Jahr vor der Wahl Zeter und Mordio schrien und versprachen, dergleichen unter einem republikanischen Präsidenten niemals zu tun. Auch diese Liste der Absonderlichkeiten ließe sich fortsetzten.

Dankenswerterweise konnten wir für diesen Hauptstadtbrief am Samstag Henning Hoff gewinnen, der es in seinem Beitrag hervorragend versteht, das im wirklich bedrohlichen Sinne Außergewöhnliche dieses Präsidenten und die Gefahren der anstehenden Wahlen aufzubereiten und auf den Punkt zu bringen. „Auch im Vorlauf der 2020er-Wahl hat Trump bislang alles in seiner Macht Stehende getan, einschließlich der versuchten Sabotage der US-Post, um einer Flut der Anfechtungen und Anschuldigungen den Boden zu bereiten“, schreibt der Editor-at-Large der Zeitschrift Internationale Politik, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegeben wird.

Im zweiten Beitrag dieses Hauptstadtbriefes erläutert Silvia Stöber, was hinter der jüngsten Eskalation im Kaukasus steckt. Dort liefern sich die Armeen Armeniens und Aserbaidschans erneut Gefechte in der Region um Bergkarabach. Stöber, ausgewiesene Expertin für Osteuropa und den Südkaukasus auch in Diensten der ARD, klärt auf über die historischen Hintergründe, die Rolle der Türkei und Russlands. Wenig ist derweil von der Europäischen Union zu hören. Auch Stöber fragt sich, ob die größte Hoffnung auf einen Waffenstillstand durch ein Arrangement Erdogans und Putins besteht – beide nicht unbedingt als Friedensaktivisten bekannt. Durchatmen.

Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich – bis morgen

Ihr Detlef Prinz

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